Samstag, 23. Oktober 2010, 19:25h
Ein interessanter Beitrag über Betreuung
Am 14.09.2010 wurde im NDR in der Sendung "Markt" ein Beitrag über rechtliche Betreuungen gesendet. Titel: "Betreuung: von Rechts wegen entrechtet?"
Da dieser Beitrag während meines Urlaubs gesendet wurde, habe ich ihn leider verpasst. Aber es gibt einen kurzen Ausschnitt und weitere Information auf der Seite:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/markt/recht_verbraucher/betreuung137.html
Ansehen lohnt sich.
Außerdem habe ich auch noch einen interessanten Artikel entdeckt, in dem die Rolle der Angehörigen bei Einrichtung und Führung von Betreuungen thematisiert wird.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1025084/#oben
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Am Anfang war das Chaos...
Am Anfang war das Chaos – so beginnt nicht nur die griechische Mythologie, sondern oftmals auch die Betreuungsarbeit. Häufig tritt der Betreuer die Betreuung in einer Situation an, in der so gut wie alles aus dem Lot geraten ist. Bei alten Menschen fällt der Zeitpunkt einer Bestellung zum Betreuer oft in die Situation, wo ein Wechsel in ein Pflegeheim erfolgt, was dann unweigerlich mit der Wohnungsauflösung verbunden ist. Hat der Betreute genügend Geld, so ist dies zwar immer noch mit einer umfangreichen organisatorischen Arbeit verbunden, aber zumindest sind die Mittel für Umzugsdienst, doppelte Miete, Renovierung e.t.c. vorhanden.
Wenn kein Geld da ist – bei meinen Betreuten ist dies fast immer der Fall – wird es kompliziert. Das Heim will seine Heimkosten, der Vermieter seine Miete und ein Umzugsdienst will vor Auftragsausführung eine feste Kostenzusage. Das bedeutet dann Antragstellungen ohne Ende. Und diese Anträge liegen dann erstmal lange, lange Zeit in der Behörde, ohne dass etwas passiert. Und ein Antrag hängt wiederum oftmals von einem anderen ab, so z.B. der Antrag auf Übernahme der Restheimkosten durch das Sozialamt, der erst dann bewilligt wird, wenn die Anerkennung der Heimpflegebedürftigkeit durch die Krankenkasse vorliegt. Und die Mietzahlung während der Kündigungsfrist wird nur gewährt, wenn ein ärztliches Attest über die Notwendigkeit der sofortigen Heimaufnahme vorliegt – also auch hier erstmal Antragstellungen. Für die Beantragung der Übernahme der Umzugskosten müssen drei (!) Kostenvoranschläge vorgelegt werden, die natürlich auch erst eingeholt werden müssen. Die Kündigung der Wohnung, die ja so schnell wie möglich vorgenommen werden sollte, hängt wiederum von der Genehmigung des Amtsgerichts ab und auch die lässt oftmals auf sich warten.
Antragstellungen hängen außerdem von Unterlagen ab, die ein Betreuer nicht immer hat: Rentenbescheide, Kontoauszüge, Adressen der unterhaltspflichtigen Angehörigen, Mietvertrag, Strom- und Gasabrechnungen e.t.c. Ein Personalausweis ist oftmals nicht auffindbar oder aber abgelaufen. Wer nicht mehr selbst zur Behörde gehen kann, bekommt aber keinen neuen Ausweis, sondern allenfalls eine Befreiung von der Ausweispflicht – wofür dann aber wiederum der alte Personalausweis vorliegen muss…
Aber genauso chaotisch, wie es bei Betreuten zugeht, die ins Heim ziehen, kann es auch bei denjenigen Betreuten zugehen, die noch in ihrer Wohnung wohnen und auch dort bleiben wollen. Durch Erkrankung oder Gebrechlichkeit kommt es oftmals zu haarsträubenden Zuständen: die Wohnung ist manchmal völlig verdreckt, die Miete schon lange nicht mehr bezahlt, so dass schon ein Räumungsbeschluss vorliegt, das Konto ist hoffnungslos überzogen – und bei Einrichtung einer Betreuung verlangt die Bank zu allem Unglück auch noch den sofortigen Kontoausgleich. Der Gesundheitszustand des Betreuten ist manchmal so schlecht, dass umgehend ein Pflegedienst eingesetzt werden muss. Aber auch hier geht alles durch die Behördenmühle: Antragstellungen, Einholung von Attesten, Vorlage von unzähligen Unterlagen, die oftmals nicht auffindbar sind, und Hausbesuche mit Mitarbeitern der Altenhilfe oder des psychiatrischen Dienstes, die allerdings auch nicht immer sofort zur Stelle sein können.
Und nicht selten kommt der Betreuer in die Situation, in der überhaupt kein Geld vorhanden ist und der Kühlschrank völlig leer ist. Einer Kollegin wurde in so einer Situation gesagt „Da müssen Sie sich etwas einfallen lassen!“ Das ist leicht gesagt, denn für alles, was man so an Einfällen haben könnte, benötigt man nun mal Zusagen anderer Einrichtungen oder aber eben Geld. Glücklicherweise gibt es seit einiger Zeit die Lebensmitteltafeln, die meist auch flexibel und unbürokratisch arbeiten. Ich strecke in solchen Notsituationen oft Geld vor, was aber bei Gericht nicht gern gesehen wird – ohne dass allerdings brauchbare Alternativvorschläge gemacht werden. Pflegedienste haben mir erzählt, dass ihnen von einigen Betreuern ganz lakonisch gesagt wird „Das ist Ihr Problem, momentan komme ich nicht an Geld heran“. Abgesehen davon, dass es selbstverständlich auch nicht das Problem des Pflegedienstes ist, Geld für Lebensmittel zu besorgen, ist es natürlich ein fragwürdiges Verhalten, die Verantwortung einfach Dritten unterzuschieben.
Es dauert meist 2 – 3 Monate, bis man die wichtigsten Dinge in die Wege geleitet und die entsprechenden Bewilligungen der Behörde erhalten hat. Auf die die Zusage der Heimkostenübernahme durch das Sozialamt muss man allerdings nicht selten bis zu 6 (!) Monate warten. Und auch bei denjenigen, die in der Wohnung leben, kann die definitive Zusage an den Pflegedienst für die Übernahme von dessen Kosten auch schon mal zwei bis drei Monate dauern. Bis dahin arbeiten Heim und Pflegedienst also umsonst! Und deswegen möchte ich mich an dieser Stelle einmal ausdrücklich bei den Heimen und auch den Pflegediensten für deren unbürokratisches und flexibles Handeln bedanken! Ohne diese Kulanz und dieses Engagement wäre vieles noch schwieriger und die Betreuten – um die es ja hier geht – befänden sich in einer noch größeren Versorgungslücke.
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Sonntag, 17. Oktober 2010, 01:56h
Bedrohungen
Fast alle Kollegen und Kolleginnen haben schon die Situation erlebt, in der sie von Betreuten oder von deren Angehörigen bedroht wurden. Es liegt in der Natur der Sache, dass jemand, der eigentlich eine Betreuung überhaupt nicht will und der vielleicht sowieso im Umgang mit anderen Menschen Schwierigkeiten hat, in Konflikt mit dem Betreuer gerät. Der Betreuer steckt dann in der schwierigen Situation, dass er jemanden vertreten und sich für ihn einsetzen muss, obwohl derjenige ihn ablehnt und bedroht.
Mir ist es vor einigen Jahren passiert, dass ein Betreuter versucht hat, meinen Schreibtisch auf mich zu werfen – und dies gleich zweimal. Grund hierfür war, dass ich ihm noch keine neue Wohnung besorgt hatte, was er von mir erwartete, obwohl er noch eine Wohnung hatte. Zu dem damaligen Zeitpunkt arbeitete ich noch in einer Bürogemeinschaft und meine Kollegen waren sofort zu Stelle als sie mein Geschrei hörten.
Eine andere Betreute war äußerst erbost, weil ich dem Sozialamt nicht verschwiegen hatte, dass sie etwa 20.000,00 DM Ersparnisse hatte. Sie machte mich dann darauf aufmerksam, dass es Menschen gibt, die schon für 40,00 DM bereit wären, jemanden umzubringen. Später erfuhr ich dann, dass diese Betreute tatsächlich schon einmal eine Sozialarbeiterin mit einem Messer angegriffen hat. Gerade für diese Betreute habe ich übrigens erheblich mehr getan, als es eigentlich meine Pflicht gewesen wäre.
Einem Kollegen von mir wurde von einer Betreuten ins Gesicht gespuckt. Ein anderer seiner Betreuten warf mit einem Aschenbecher nach unserer Mitarbeiterin und schlug ein Loch in die Tür. Einer Kollegin wurde von einem Betreuten mit der Faust bedroht und erst als ein anderer Betreuter empört eingriff, hörte er damit auf.
Der Vater einer meiner Betreuten hinterlässt in regelmäßigen Abständen wüste Beschimpfungen auf meinem Anrufbeantworter. Während er bisher nur mit Anwalt und Bildzeitung drohte, hat er in der vergangenen Woche das erste Mal damit gedroht, mir etwas anzutun, wenn er mich allein treffen würde. Grund seines Hasses auf mich ist die Tatsache, dass ich meine Betreute – natürlich mit ihrem Einverständnis – in eine psychosoziale Beratungsstelle vermittelt habe und er als Vater dadurch jetzt eine Zuzahlung von 13,00 € für die Kosten zu leisten hat. Es handelt sich übrigens nicht um einen Hartz-IV-Empfänger sondern um einen Rentner mit einem eigenen Haus.
Angenehm ist all dies nicht. Aber wie bereits erwähnt, ist dies bei der speziellen Problematik unserer Arbeit nicht vermeidbar. Ich würde mir manchmal nur wünschen, wenn in den Medien über Betreuer berichtet wird, dass man auch einmal diese Seite unserer Arbeit darstellt. Mit Menschen zu arbeiten, von denen man bedroht wird, kann sehr zermürbend sein. Und die Auseinandersetzung mit der Bedrohung kostet mich leider sehr viel Zeit und Energie, die zu Lasten meiner schwerkranken und hilflosen Betreuten geht, für die ich diese Zeit sehr viel lieber aufwenden würde.
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Sonntag, 10. Oktober 2010, 21:42h
Aufgaben einer Betreuerin – Korrespondenz mit einem Bordellbesitzer
Zu den Aufgaben einer Betreuerin gehören die unterschiedlichsten Aufgaben. So zum Beispiel die Korrespondenz mit Menschen, die sich durch einen Betreuten geschädigt fühlen. Vor einiger Zeit habe ich aus diesem Grund mit dem Besitzer eines ominösen Clubs korrespondiert. Anlass hierfür waren die Schulden eines Betreuten. Kleinlaut erzählte mir mein Betreuter, dass er in einem sogenannten Club auf dem Kiez Schulden gemacht hätte. Passiert ist dies während einer manischen Phase, in der er besagten Club aufsuchte, dort Sekt bestellte, den er zwar trank aber nicht bezahlte und dadurch rund 150,00 € Schulden hinterließ. Allerdings schien er irgendwie zuvor seine Adresse bekannt gegeben zu haben, denn einige Wochen später standen vier Leute vor seiner Tür, die Einlass begehrten. Als er nicht öffnete, zogen sie wieder von dannen und hinterließen ihre Visitenkarte an der Tür.
Immerhin hatte ich ja dadurch einen Ansprechpartner. Übrigens nicht irgendeinen, sondern einen Burggraf von und zu, wie ich staunend im Internet recherchierte. Die Situation, dass ein psychisch kranker Betreuter in einer manischen Phase Schulden macht oder mit dem Gesetz in Konflikt kommt, gibt es immer wieder und entspricht auch dem mit manischen Phasen verbundenen Krankheitsbild. So hatte der gleiche Betreute auch schon vor einiger Zeit in einem sehr teuren Restaurant (direkt an der noblen Elbchaussee!) das Buffet abgeräumt ohne zu bezahlen. Auch bei dem sogenannten Club handelte es sich übrigens um eine Nobeladresse – wenn schon denn schon.
Was kann ich in so einer Situation für meinen Betreuten tun? Ich schreibe den Geschädigten an und schildere die Situation, das heißt, ich erwähne die Erkrankung und betone, dass die Tat des Betreuten nicht aus bewusster Absicht heraus entstand, sondern eine Folge der Erkrankung ist. Da fast alle meine Betreuten nur über ein Existenzminimum verfügen, muss ich dann auch darauf aufmerksam machen, dass eine Begleichung der Forderung leider nicht möglich ist. Wenn der Betreute damit einverstanden ist – was meist der Fall ist – lasse ich ihn manchmal auch noch selbst eine Entschuldigung formulieren.
Wie reagierte nun der Graf von und zu auf mein Schreiben? Erstaunlich verständnisvoll. Zwar bestritt er, dass er meinen Betreuten mit vier Personen aufgesucht hatte, aber er war – in Anbetracht der Erkrankung und der finanziellen Lage – sofort bereit, auf seine Forderung zu verzichten.
Ich habe aus dem Ganzen eine Lehre gezogen und erinnere meinen Betreuten jetzt regelmäßig an seinen Termin beim Arzt, bei dem er seine Spritze erhält. Wenn eine regelmäßige Medikamenteneinnahme erfolgt, lebt mein Betreuter weitgehend symptomfrei und ohne Konflikte mit seiner Umwelt – was auch seinem Wunsch (nicht nur meinem!) entspricht.
Der Aufwand des Anschreibens der Geschädigten ist relativ niedrig. Selbst wenn bereits eine polizeiliche Anzeige gemacht wurde, wird diese bei der relativ eindeutigen eingeschränkten Schuldfähigkeit oftmals zurückgezogen. Falls nicht, wird zumindest fast immer das Verfahren eingestellt. Mittlerweile brauche ich nur wenig Zeit für das Aufsetzen der entsprechenden Schreiben. Die Einschaltung eines Anwalts ist nicht erforderlich. Auch wenn man einen Anwalt beauftragt, muss dieser ja erstmal über den Tathergang und den gesundheitlichen Hintergrund informiert werden, so dass das Abwickeln solcher Angelegenheiten in Eigenregie letztendlich auch nicht mehr Arbeit macht, als bei Zuhilfenahme eines Anwalts. Der natürlich auch bezahlt werden muss, was bei mittellosen Betreuten ja ein Problem darstellt. Zwar gibt es Prozesskostenhilfe, aber nur in dem Fall, in dem überhaupt ein Prozess ansteht. Soweit möchte man es aber ja gar nicht kommen lassen.
Ich habe übrigens nicht mit einem Clubbesitzer, sondern mit einem Bordellbesitzer korrespondiert, denn es handelte sich natürlich gar nicht um einen Club. Aber der Graf war echt und stammte aus einer der ältesten deutschen Adelsfamilien...
Alles in allem bin ich froh, dass es für meinen Betreuten so glimpflich ausgegangen ist und er keine Schulden hat und ich keinen Rechtsstreit abwicklen muss.
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