Mittwoch, 21. Oktober 2009, 11:56h
Die Alphamännchen unter den Betreuern – oder kleine Philosophie des Zusammenfaltens

Der Umgang mit den Alphamännchen unter den Betreuern ist nicht schwierig – vorausgesetzt man respektiert deren Führungsanspruch. Tut man dies allerdings nicht, wird es dann doch schwierig und es kommt unweigerlich zu Konflikten, denn Alphamännchen wissen nun mal unbeirrbar, wo es lang geht und reagieren äußerst empfindlich, wenn man dies anzweifelt. Und sie haben ihre ihnen eigene Art der Konfliktlösung. Alphamännchen unter den Gorillas drohen mit Schlagen auf den Brustkorb. Alphamännchen unter den Betreuern drohen mit „Zusammenfalten“. Das hat normalerweise auch den gewünschten Erfolg und niemand widerspricht. Zumindest nicht geradeheraus. Hintenrum allerdings schon; das bringt weniger Ärger und viel mehr Spaß.
Es kommt unweigerlich zu einem Eklat, wenn jemand sich gegen das „Zusammenfalten“ wehrt. Das mag noch so sachlich, noch so inhaltlich richtig vorgebracht werden – das Alphamännchen duldet keine offene Kritik. Wo kämen wir hin, wenn wir in Gegenwart Dritter eine Verhaltensweise ansprechen, die man doch leicht mit Begriffen wie anmaßend oder autoritär verbinden könnte? Hier kommt dann der Unterschied zwischen den Alphamännchen unter Gorillas und den Alphamännchen unter Betreuern zutage: Ein Alpha-Gorilla ist identisch mit seiner Rolle. Ein Alpha-Betreuer nur bedingt. Er möchte gern ein Alphamännchen sein ohne jedoch als eins zu gelten. Sehr kompliziert.
Und so kommt es denn, wie es kommen muß, wenn das Alphamännchen offen auf seinen fragwürdigen Wunsch nach „Zusammenfalten“ anderer angesprochen wird: Er streitet ab – und zwar vehement und konsequent. Jetzt steht der Kritikäußerer dumm da. Und guckt sich hilfesuchend um nach denjenigen, die seine Äußerung doch bezeugen könnten. Doch da unterschätzt er den Alphamechanismus, der die Betamännchen zittern läßt, als wäre man tatsächlich mitten im Dschungel, wo ein blutiger Zweikampf drohen könnte.
Wagt der Kritikäußerer in unverbesserlicher Hartnäckigkeit einen zweiten Anlauf, kann dies eine noch merkwürdigere Reaktion des Alphamännchens hervorrufen, indem es blitzartig die Runde verläßt und dies damit begründet, daß das Verhalten des Kritikers „kein Niveau“ hätte. Das Betamännchen zeigt bei dem zweiten Anlauf eine sonderbar ähnliche Reaktion, indem es ebenfalls schleunigst die Runde verläßt. Und selbstverständlich schließt es sich der Meinung seines Leittiers in Bezug auf die Niveaulosigkeit an .
Und wer jetzt auf die Idee kommen sollte, daß irgendjemand auch nur irgendetwas irgendwo als falsch gelaufen ansieht, der irrt sich gewaltig. Denn etwas sehr Merkwürdiges ist passiert: das Problem hat sich auf eigentümliche Art verschoben und nicht die beleidigende Anmaßung gilt als Problem. Das Problem liegt jetzt einzig und allein beim Kritikäußerer. Ein eklatantes und unverzeihliches Fehlverhalten, jemanden offen auf seine Äußerungen anzusprechen. Wo kämen wir schließlich hin, wenn wir plötzlich so dastehen würden, wie wir auch tatsächlich sind?
Plötzlich stellt nicht mehr das Problem ein Problem dar, sondern die Kritik am Problem - über die ist man bitterböse und hochempört. Es ist völlig aussichtslos, auf die Wichtigkeit von kritischer Hinterfragung des Umgangs mit anderen hinzuweisen. Nicht die geringste Chance für das Bestreben, Kritik als etwas Konstruktives und Veränderndes darzustellen. Davon hat man noch nie gehört und davon will man auch nichts hören. Wozu denn auch? Geht doch auch ohne!
Und die Moral von der Geschicht’: Alphamännchen und Betreuer kritisiert man nicht!
(Zumindest nicht offen, sondern allenfalls an einem geheimen Ort unter Ausschluß der Öffentlichkeit als Top Secret Angelegenheit höchster Sicherheitsstufe).
P.S.: Deswegen kann ich die immer zahlreicher werdenden Menschen verstehen, die im Kontakt mit Betreuern über deren Umgang mit Kritik verzweifeln. Letztendlich endet dies immer als Eigentor. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, um etwas an uns zu verändern....
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Sonntag, 18. Oktober 2009, 01:03h
Sind alle Kritiker der Arbeit von Betreuern Psychopathen?
Schon vor einiger Zeit habe ich durch die behördliche Fachabteilung für rechtliche Betreuung erfahren, daß sich Beschwerden über Betreuer en masse ansammeln. Wörtlich wurde die Situation beschrieben als „Es kocht und brodelt an allen Stellen“. Jetzt habe ich Einsicht in eine sehr gut recherchierte Website erhalten, in der Beiträge zum Thema rechtliche Betreuung gesammelt und kategorisiert aufgeführt werden. Bisher habe ich mich immer sehr allein gefühlt mit meiner Kritik und habe bei Kollegen grundsätzlich nur negative Reaktionen erfahren. Mir als Betreuerin wird mein Wunsch nach Selbstkritik und Auseinandersetzung grundsätzlich als Selbstbeweihräucherung ausgelegt und den vielen Menschen, die sich über Betreuer beschweren, wird kurzum (wortwörtlich!) der Titel „Psychopathen“ aufgedrückt. Und nicht selten werden die Beschwerden der Angehörigen von Betreuten auf eigennützige wenn nicht sogar kriminelle Interessen zurückgeführt.
Durch die Einsicht in die – nicht öffentliche - Website, bekommt man allerdings einen ganz anderen Eindruck. Und bei den betreffenden zitierten Beiträgen handelt es sich keinesfalls um Beiträge aus Zeitungen wie der Bild oder Sendern wie RTL. Die Artikel stammen überwiegend aus fachlich versierten Quellen wie: Rechtspflegerforum, Bundesministerium der Justiz, Forum für Psychiatrie und Psychotherapie, Deutsches Ärzteblatt, Vormundschaftsgerichtstag und außerdem Medien wie der Welt, Spiegel e.t.c. Sind alle diese Foren Sammelstellen für Psychopathen? Alles Menschen, die nur aus reiner Querulanz und Dilletantismus kritisieren? Wohl kaum.
Wenn man nicht erst warten will, bis die Situation völlig eskaliert, müßten wir jetzt dringend reagieren. Dringend Qualitätsstandards entwickeln. Und endlich damit aufhören, jegliche Kritik an Betreuern als psychopathisches oder eigennütziges Verhalten zu diffamieren. Und es sollte endlich einmal realisiert werden, daß es verheerende Auswirkungen hat, wenn man die Arbeit mit Menschen, die auch hoheitliche Entscheidungen beinhaltet, ausschließlich an einer rein kaufmännischen Sichtweise orientiert.
Und vor allem müßte jetzt für uns Betreuer endlich einmal das Pflicht sein, was bei der Arbeit mit Menschen grundsätzlich und zwingend erforderlich ist: Selbstkritik!
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Mittwoch, 7. Oktober 2009, 21:36h
Betreute und Telefonsex – oder das Kreuz mit den neuen Kommunikationsmitteln
Die neuen Kommunikationsmittel haben in nahezu allen Lebensbereichen tiefgehende Veränderungen bewirkt. Man mag dem positiv oder negativ gegenüber stehen – auf jeden Fall kann nicht geleugnet werden, daß es einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung gibt, der mit der verantwortungsvollen Handhabung der Kommunikationsmittel völlig überfordert ist. Und dazu gehören leider auch viel Betreute. Dies ist im Grunde nicht allzu verwunderlich, denn wer schon mit der Einteilung seines Geldes sowie der Bearbeitung seines Schriftverkehrs Schwierigkeiten hat, ist mit der Handhabung von Handy und Internet oft genauso überfordert.
Bereits bei Beginn meiner Tätigkeit als Betreuerin war ich ziemlich schnell mit dem Thema Handymißbrauch konfrontiert. Vor etwa 12 Jahren hatten die meisten noch kein Handy, aber einer meiner damaligen Betreuten wollte unbedingt bei dem damals noch neuen Trend mitmachen und legte sich ein Handy zu. Als er dann in Geldschwierigkeiten kam, kam er auf die Idee, am Hauptbahnhof gegen ein paar Mark sein Handy an Ausländer auszuleihen, die dies dann nutzen, um endlich einmal kostengünstig in ihre Heimat zu telefonieren. Innerhalb weniger Tage kam es dann zu ungefähr 6.000,00 DM Handygebühren.
Dies war mein Einstieg in das Thema Handy. Inzwischen sind Rechnungen in schwindelnder Höhe Alltag. Zwar haben die meisten Betreuten jetzt Kartenhandys. Aber es gibt ja auch durch das Festnetz oder das Internet Möglichkeiten, hohe Rechnungen zu verursachen. Wenn ich bei einem meiner Betreuten einen neuen Telefonanschluß legen lasse, veranlasse ich mittlerweile grundsätzlich eine Sperrung der Nummern für Telefonsex, Gewinnspiele und Auskunftsdienste. Bei Betreuten, die schon lange einen Anschluß haben, vertraue ich darauf, daß es, wenn es in der Vergangenheit keine Schwierigkeiten gab, auch in Zukunft keine geben wird. Es käme mir etwas diktatorisch vor, automatisch Sperren zu veranlassen, wenn der Betreute bisher verantwortungsbewußt mit dem Telefon umging. Meine Einstellung ist für die meisten Betreuten richtig, aber bei einigen hat sie sich als blauäugig erwiesen. Manche kommen erst spät auf den Geschmack und hat jemand erstmal Spaß am Telefonsex gefunden, dann wird auch stundenlang telefoniert. Rechnungen mit einigen tausend Euro Gebühren und die Sperrung des Festnetzanschlusse sind nichts Ungewöhnliches.
Es gibt manchmal auch sehr schwierige Wohnkonstellationen. So wohnt beispielsweise einer meiner Betreuten mit seiner gebrechlichen Mutter zusammen und ein Festnetzanschluß sollte unbedingt zur Verfügung stehen, da immer die Möglichkeit bestehen muß, Arzt oder Pflegedienst anrufen zu können. Da mein Betreuter bereits vor einiger Zeit mehrere Tausend Euro Kosten für Telefonsex verursacht hat, habe ich eine Sperre einrichten lassen, die nur Stadtgespräche ermöglicht. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Es gibt mittlerweile auch Telefonsexanbieter, die über ein Rückrufsystem ihre zweifelhaften Dienste anbieten. Oder über das System einer Mittelsnummer. Mein Betreuter hat all dies herausgefunden und jetzt mußte ich die Notbremse ziehen. Der Mutter habe ich ein Seniorenhandy besorgt, da auch ein normales Handy sofort vom Sohn für seine Telefonsexbedürfnisse genutzt werden könnte. Ob die alte Dame – die übrigens auch von mir betreut wird – sich an das Handy gewöhnen wird, bleibt abzuwarten.
Wie dem auch sei – es fällt eine Unmenge von Schriftverkehr mit Inkassobüros und Anwälten an, die dann die diversen Telefonsexanbieter vertreten. Teilweise ähneln die Briefköpfe den Formularen aus der Ausstattung der Kinderpost. Und teilweise handelt es sich um exotische Adressen wie Belize oder St. Petersburg. Aber manche Schuldeneintreiber sind durchaus seriös und so kommt es dann, wie es kommen muß – es flattern Mahn- und Vollstreckungsbescheide ins Haus, bzw. ins Büro. Dies wiederum kann zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung oder zur Kontopfändung führen.
Bei der ganzen Problematik kommt man nicht umhin, über die Zusammenarbeit mit der Telekom in Verzweiflung zu geraten. Will man beispielsweise zu einem anderen Anbieter wechseln, dann erfährt man plötzlich, daß beim letzten Tarifwechsel ohne vorherige Absprache ein befristeter Vertrag entstand, dem man genauso wenig entkommen kann wie einer Haftstrafe. Das aus Amerika importierte Callcenter-System hat zur Folge, daß man nie mit dem gleichen Sachbearbeiter spricht und daher auch niemand zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn etwas schief läuft.
Einigen meiner jüngeren Betreuten würde ich sehr gern die Möglichkeit des Internetzugangs verschaffen. Gerade Menschen mit sozialen Ängsten oder Behinderungen könnten enorm von den diversen Foren, Chats e.t.c. profitieren. Aber hier lauert leider die gleiche Gefahr wie beim Telefonieren.
Ich würde mich in meiner Arbeit gern mehr um die alten, kranken und vereinsamten Betreuten kümmern, für die ich manchmal der einzige Ansprechpartner bin. Aber in letzter Zeit spreche ich weitaus öfter mit den sogenannten Call-Agents von Telekom, und Hansenet & Co als mit meinen Betreuten. Und meine Korrespondenz mit Telefonsexanbietern sowie deren Inkassobüros nimmt einen besorgniserregenden Umfang an.
Ich habe gerade einem solchen Gläubiger eine Absage an seine Forderung geschrieben. Und mein Argument halte ich auch nicht für das schlechteste. Wenn man Telefonsex anbietet – worüber ich mir gar keine keine moralische Wertung anmaßen möchte – dann sollte man auf die in diesem Gebiet herrschende Zahlungspraxis zurückgreifen: Leistung erst nach Bezahlung! So wie jede Prostituierte erst Leistung erbringt, nachdem der Preis gezahlt wurde.
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