Samstag, 23. Februar 2008, 14:27h

Lebensmodell Armut

behrens

Viele meiner Betreuten leben von Hartz 4 oder von Grundsicherungsleistungen. Wenn diese Betreuten Kinder haben, wird diesen Kindern nicht mehr vermittelt, daß man durch Arbeit für sein Leben sorgen muß, sondern dies geschieht durch staatliche Alimentation. Während die Kinder aus Familien, in denen die Eltern oder ein Elternteil arbeiten, von frühester Kindheit an damit aufwachsen, daß es neben dem Familienleben auch noch ein Arbeitsleben gibt, machen die Kinder von Arbeitslosen die Erfahrung eines Lebens ohne jede wirkliche Struktur. Schon früh sind sie mit Behördengängen und mit der Abhängigkeit von den einzelnen finanziellen Bewilligungen konfrontiert. In der Sozialarbeit steht man manchmal Menschen gegenüber, die schon die dritte Generation der Langzeitarbeitslosen bilden und die irgendwann auch mal selbst Familien gründen. Den Kindern in diesen Familien wird dann das vermittelt, was deren Eltern selbst als erziehungs- und richtungsweisend erlebt haben. Armut ist wie Dominospielen – die Kette wird immer länger.

Meine Meinung mag fatalistisch sein, aber durch die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen kann man lediglich vom Status quo an Veränderungen schaffen; die Menschen, die durch Armut sozialisiert wurden, werden Ausbildung und Arbeit nur schwerlich als Chance begreifen. Denn anders, als es uns einige Ideologien weismachen wollen, ist Arbeit eben nicht für jeden der hauptsächliche Lebenssinn. Arbeit kann oft zermürben, Arbeit ist Unterordnung und es gibt eben viele Dinge, die mehr Spaß machen als Arbeit. Man braucht sein Augenmerk nur mal ein wenig auf südliche oder asiatische Länder richten, dort wird Arbeit nicht idealisiert, sondern als das angesehen, was es meist auch ist – einfach ein notwendiges Übel.

Während meiner Studienzeit wurde diese Ansicht oftmals mit lauten Protesten kommentiert. Ich rate aber denjenigen, die anderer Meinung sind, mal in einer Fabrik zu jobben, im Akkord als Erntehelfer zu arbeiten oder sich bei MC Donalds an die Kasse zu setzen. Diese Arbeiten wird es immer geben und diese Arbeiten müssen somit auch ausgeführt werden. Und durch diese Arbeiten verdient man nur einen Bruchteil dessen, was beispielsweise ein Schlosser, eine Krankenschwester oder ein Versicherungskaufmann verdient (von Zahnärzten und Managern mal ganz zu schweigen). Die Diskussion um den Mindestlohn wirkt in diesem Zusammenhang einfach nur noch grotesk. Es wird allen Ernstes auch noch um einen Lohn gestritten, der auch nur ein Leben im Existenzminimum ermöglicht.

Aber zurück zum „Lebensmodell Armut“. Die Kinder, die mit diesem Lebensmodell aufgewachsen sind, wird man schwer von der Attraktivität eines MC-Donalds Job überzeugen können. Dies wäre allenfalls möglich, wenn die dort gezahlten Löhne mindestens verdoppelt werden würden oder wenn man die Schwere dieser Arbeit mal mit einer verringerten Wochenstundenzahl bei gleichem Lohn honoriert. Dies würde dann auch der verringerten Leistungsfähigkeit der durch Armut sozialisierten Menschen gerecht werden. Aber derartige Vorschläge sind und bleiben utopisch, denn in der Mühle von Angebot und Nachfrage müssen Löhne realistisch bleiben, denn niemand zahlt für einen Burger soviel wie für ein Steak.

Es fällt schwer so zu schließen - aber das Dominospiel kann man nicht rückwirkend ändern. Man kann es nur noch hinnehmen und versuchen, keine neuen Steine mehr anzulegen.
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