Dienstag, 13. November 2007, 02:31h
Der dunkle Punkt in meiner Biographie
Der „Dunkle Punkt“ in meiner Biographie
Bevor ich mich 1999 selbständig machte, arbeitete ich als Vereinsbetreuerin im Betreuungsverein Elbe. Der Verein mußte im Jahr 2000 schließen, weil ihm die öffentlichen Gelder entzogen worden waren. Als Grund hierfür wurden „finanzielle Unregemäßigkeiten“ genannt.
Ich hatte den Verein schon vor der Schließung verlassen, weil es meiner Ansicht nach noch viel mehr als die unzweckmäßig verwendeten Gelder zu beanstanden gab. Es gab eine äußerst unselige Interessenverquickung innerhalb des Vereins, da der zweite Geschäftsführer eine Anwaltskanzlei besaß, die sich in denselben Büroräumen wie der Verein befand. Nicht nur, daß die Kosten der Anwaltskanzlei fast vollständig über den Verein abgerechnet wurden, es wurde außerdem auch erwartet, daß bei Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung für die Betreuten der zweite Geschäftsführer beauftragt wurde. Dies wäre vielleicht noch vertretbar gewesen, wenn man nur dann Mandate erteilt hätte, wenn diese auch tatsächlich erforderlich und sinnvoll gewesen wären. Hiervon konnte jedoch keine Rede sein, denn Mandatserteilungen wurden auch dann erwartet, wenn die zu regelnden Angelegenheiten problemlos von dem Betreuer allein hätten geregelt werden können oder auch dann, wenn überhaupt keine Aussicht auf Erfolg eines gerichtlichen Verfahrens bestand. Die Leidtragenden waren in diesem Fall die Betreuten, die dann auf den Anwaltskosten sitzen blieben. Aber auch im Fall von Prozeßkostenhilfe ist es fraglich, ob man die ohnehin leeren Staatskassen noch mit Anwaltskosten belasten sollte, die völlig überflüssig sind, ganz zu schweigen von den überlasteten Gerichten, die auf überflüssige Rechtsstreits verzichten können.
Aber nicht nur die zweifelhafte Verquickung von Anwaltskanzlei und Betreuungsverein war moralisch fragwürdig. Bevor ich die Arbeit im Verein antrat, hatte der Geschäftsführer etliche Betreuungen als Privatperson geführt, so daß die Vergütung nicht dem Verein sondern ihm allein zu Gute kam. Strafrechtlich nicht belangbar, denn jeder kann jederzeit Betreuungen führen. Moralisch jedoch völlig unhaltbar, denn wenn eine Arbeit innerhalb der Arbeitszeit ausgeführt wird, gehört das hiermit erzielte Geld auch an den Arbeitsplatz und nicht in das Portemonnaie des Geschäftsführers.
Mit der Betreuung von sogenannten vermögenden Betreuten kann wesentlich mehr Vergütung erzielt werden als mit mittellosen Betreuten. Bei der Verteilung der Betreuungen auf die ehrenamtlichen und die Vereinsbetreuer erhielten vorzugsweise die auch als Betreuerinnen arbeitenden Ehefrauen der Geschäftsführer die vermögenden Betreuten. Wenn man dann bedenkt, daß auch eine der Ehefrauen im Vereinsvorstand saß und daß die beiden Geschäftsführer verschwägert waren, kann man des Eindrucks der Vetternwirtschaft nur sehr schwer erwehren.
Als ich den Betreuungsverein verließ, war die Presse schon auf die Vorwürfe gegen den Verein aufmerksam geworden. Der zweite Geschäftsführer hatte geschickt kurz vor der Schließung den Verein verlassen und der erste Geschäftsführer gab eifrig Interviews, in denen er sich als Opfer darstellte, was mich irgendwann dazu brachte, einen Leserbrief an unser Lokalblatt zu schreiben, da die haarsträubenden Darstellungen des Geschäftsführers nicht mehr erträglich waren. Ich erhielt überraschenderweise sofort einen Anruf der Zeitung und wurde um ein Interview gebeten. An dieser Stelle beginnt jetzt der „dunkle Punkt“ in meiner Geschichte, denn ich lehnte leider ab. Meine ehemaligen Kollegen arbeiteten noch in dem Betreuungsverein und mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dem Verein jetzt einen Dolchstoß zu versetzen, der zur Schließung und somit zum Verlust des Arbeitsplatzes meiner ehemaligen Kollegen hätte beitragen können. Außerdem war mir - ehrlich gesagt - auch etwas mulmig, so völlig allein gegen den Verein anzutreten. Ich empfinde ich meinen Rückzieher immer noch als ziemlich feige und mir wäre jetzt wohler, wenn ich mit der Zeitung offen geredet hätte, auch wenn meine Infos in einem weiteren Artikel thematisiert wurden.
Letztendlich habe ich gegen in der ganzen Angelegenheit lediglich eine Klage vorm Sozialgericht erhoben gegen die Sperrfrist, die aber nur einen Vergleich erbrachte. Ach ja, ein großes Lob vom Richter gab’s noch, immerhin endlich mal jemand, der meine Empörung über den Verein teilte!
WARUM schreibe ich das alles auf, obwohl die ganze Sache schon mehr als 8 Jahre zurückliegt?
WEIL es zum Himmel stinkt, wenn gemeinnützige Vereine vorrangig gegründet werden um leicht und schnell an öffentliche Gelder zu kommen.
WEIL in einer Zeit, in der viele Menschen von existenzieller Armut bedroht sind, die ohnehin knappen Staatsgelder für sozial Bedürftige verwendet werden sollten und nicht für die Finanzierung des kostspieligen Lebenswandel von Geschäftsführern.
WEIL es in keiner Weise vertretbar ist, zu diesen Umständen einfach zu schweigen. Hätten die beiden Geschäftsführer es nicht etwas zu weit getrieben, dann würde der unselige Betreuungsverein noch immer existieren und es würde weiterhin nicht nach den Interessen der Betreuten und der Öffentlichkeit gehandelt werden, sondern nach Eigeninteressen. Unrecht mitansehen, heißt Unrecht möglich machen. Jeder Schwarzfahrer muß für sein Vergehen büßen, die beiden Geschäftsführer hat man niemals zur Rechenschaft gezogen.
WEIL ich nur schwer verstehe, daß meine Reaktion anscheinend mehr Unverständnis auslöst als die eigentlichen Vorfälle, frei nach der Devise: „Sicher, es ist nicht gerade toll, was sich die Herren da geleistet haben aber muß man sich darüber wirklich so aufregen?“ Ja, liebe KollegInnen, man muß!
Wer ein Unrecht nicht verhütet, wenn er kann, fördert es.
Seneca
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