Samstag, 17. März 2018, 21:22h
Gewalt gegen alte Menschen und das Phänomen der fehlenden Lobby
Vor ein paar Tagen wurde in einer Hamburger Seniorenwohnanlage eine 93jährige Bewohnerin von einer ehemaligen Mitarbeiterin der Anlage ausgeraubt, mit dem Messer angegriffen und schwerverletzt liegengelassen. Vor drei Jahren wurde eine 84jährige in Hamburg Wilhelmsburg überfallen, brutal misshandelt und erstickt. Persönlich betroffen war ich, als ich erfuhr, dass einer meiner Grundschullehrer und dessen Frau bei einem Raubüberfall Opfer eines Gewaltverbrechens wurden. Beide waren berentet und schon weit über achtzig Jahre, als der aus dem dörflichen Umfeld stammende 38jährige deutsche Täter in ihr Haus eindrang und sie brutal ermordete. Gibt man im Internet die Begriffe „Raubüberfall/Raubmord an Rentner“ ein, dann gibt es unzählige ähnliche Fälle. Selbst für mich, für die das Thema kein Neuland ist, ist die große Anzahl derartiger Fälle überraschend.
Eine absolute Ausnahme bei Gewalttaten gegen alte Menschen sind diejenigen Fälle, in denen es zu Gegengewalt kommt und sich die Opfer wehren. Als im Jahr 2010 in einem niedersächsischen Dorf ein Rentner von einer Gruppe von fünf albanischen Jugendlichen überfallen wurde, erschoss er einen der Täter. Bei dem Täter handelte es sich um einen 16jährigen Intensivtäter. Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Jahr 2015 in Hamburg bei einem 63jährigen Hausbesitzer, der mit seinem bettlägerigen, pflegebedürftigen Vater zusammenlebte. Als zwei Männer gewaltsam in seine Wohnung eindrangen, erschoss er einen der Täter, bei dem es sich um einen 25jährigen nigerianischen Intensivtäter handelte.
Selbstjustiz wurde auch schon mal das Thema einer Rockoper. Im Jahr 1987 inszenierte Peter Zadek das Rock-Musical „Andi“, in dem es um den Mord an dem 16jährigen Andreas Z. geht, der 1979 von einem Kioskbesitzer erschossen wurde, als dieser sich durch seine Gewaltausbrüche bedroht fühlte. Auch wenn besagter Kioskbesitzer noch nicht im Rentenalter war, sondern soweit ich es erinnere, etwa Ende fünfzig, so ging es dennoch gerade darum, dass sich älterer Mensch gewaltsam gegen die Bedrohung von Jüngeren zur Wehr setzt.
Was bei der Thematik der Selbstjustiz der hier zitierten ersten beiden Fälle so verwundert, ist die Reaktion der Angehörigen der Täter. Familie und Bekanntenkreis reagierten extrem aggressiv, im Fall des Nigerianers kam es dabei zu so massiven Bedrohungen, dass Polizeischutz angeordnet werden musste. Auch wenn Selbstjustiz auf jeden Fall abzulehnen ist, so ist es doch erstaunlich, dass die Angst und die Panik des Opfers genauso vollständig ausgeblendet werden wie die erbarmungslose Brutalität und die erschreckende Skrupellosigkeit des Täters. Alte Menschen, die sich in ihrer Panik nicht wehrlos und schicksalsergeben ausrauben, misshandeln oder ermorden lassen wollen, werden plötzlich nicht mehr als Opfer, sondern als skrupellose Killer angesehen.
Gewalt gegen alte Menschen ist zwar einerseits ein öffentlichkeitswirksames Thema, das auch immer wieder gern entsprechend von der Presse aufgegriffen wird, aber andererseits scheint dieser Thematik eine politische Dimension abgesprochen zu werden. Während die Gesellschaft beispielsweise im Fall von Gewalt gegen Frauen oder gegen Ausländer die politische Dimension klar erkannt hat und dies folglich auch entsprechend im politischen Kontext diskutiert wird, wird dies erstaunlicherweise bei alten Menschen ausgeblendet und es fehlt jegliche Auseinandersetzung, die über bloße Entrüstung hinausgeht. Im Klartext: es gibt keinerlei Lobby!
Woran mag dies liegen? Warum gibt es zwar jede Menge äußerst engagierte Menschen, die aktiv auf Gewalt und Verfolgung aufmerksam machen, aber keine, die sich dabei der Thematik der Gewalt gegen alte Menschen annehmen?
Mir fallen hierbei immer wieder einige meiner früheren Kommilitonen oder Kollegen aus der Sozialarbeit ein, die bei Diskussionen, in denen es um alte Menschen ging, gern mal den Kommentar abgaben: „Alte Menschen sind voll fascho!“. Auch wenn diejenigen, die solche Platituden äußern, glücklicherweise eine Ausnahme darstellen, so sollte es doch zu denken geben, dass ausgerechnet in einer Szene, in der das Engagement für gesellschaftlich benachteiligte Menschen im Zentrum steht, eben solche undifferenzierten Platituden geäußert werden. Und irgendwie kann man sich der Frage nicht erwehren, warum es zwar die Begriffe „frauenfeindlich“ sowie „ausländerfeindlich“ gibt, aber nicht den Begriff „altenfeindlich“.
Was immer es für Gründe haben mag, dass alles mit dem Alter Zusammenhängende ignoriert, verdrängt oder lächerlich gemacht wird – irgendwann trifft es jeden und dann wird man am eigenen Leib erfahren, wie sich Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit anfühlt.
https://www.mopo.de/hamburg/polizei/84-jaehrige-getoetet-lebenslang-fuer-brutalen-mord---richter-hatte--gaensehaut---24790826
https://www.welt.de/print-welt/article211157/Verdaechtiger-nach-Doppelmord-gefasst.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522034.html
ttps://www.mopo.de/hamburg/wollen-die-angehoerige-nun-rache--moustapha-a----25---das-ist-der-erschossene-raeuber-von-jenfeld-1190876
http://www.zeit.de/1987/12/theatralische-null-loesung/komplettansicht
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Die Alten müssen sich organisieren, und damit schon in den 50ern anfangen, sonst werden sie immer untergebuttert.
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Aber was ich viel bezeichnender finde, ist das Fehlen einer Lobby, die über reguläre Vertretungen und Gremien hinausgeht, damit meine ich die Aufmerksamkeit und das Einschreiten der Öffentlichkeit. Ich habe schon an Demos teilgenommen für Frauenrechte, gegen Rassismus, für Abrüstung und für gleichen Lohn, aber ich habe noch nie etwas von einer Demo gegen die Diskriminierung alter Menschen gehört. In der Hierarchie der Benachteiligten scheinen alte Menschen nicht vorzukommen.
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Hier wird die Zahl der über 60jährigen immer grösser, so dass sogar politische Parteien um die Alten "buhlen". Denn es sind hauptsächlich die Alten, die hier wählen (Dänemark). Die jungen Leute sind oft zu desinteressiert.
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