Donnerstag, 6. März 2014, 13:46h
Ein positives Beispiel für die Darstellung in der Presse
Geht es um völlig verschmutze Messie-Wohnungen, ist es normalerweise für die Presse ein gefundenes Fressen, wenn der Betreffende unter Betreuung steht. Der Bericht stellt dann stets eine bittere Anklage dar gegen die angebliche Untätigkeit und das Desinteresse des verantwortlichen Betreuers.
Vor kurzem gab es jedoch in unserer Hamburger Tageszeitung ein positives Beispiel für eine differenziertere Art der Berichterstattung. Der Bericht über eine „Ekelwohnung“ war in gewohnter Manier mit einem Foto versehen, das in drastischer Weise deutlich macht, wie schlimm Wohnungen verdrecken können. Dann wurde ein wenig von der betreffenden Frau berichtet und von dem Leid der Nachbarn, die bisher vergeblich versucht hatten durch die Einschaltung behördlicher Stellen Abhilfe zu schaffen. Als dann die Existenz einer Betreuerin erwähnt wurde, hatte ich blitzschnell die Assoziation, dass jetzt eine heftige Klage darüber folgen wird, warum die Betreuerin nicht tätig wird. Zu meiner Überraschung war dies aber nicht der Fall. Die Betreuerin, die namentlich genannt wurde und die mir auch aus dem Kollegenkreis bekannt ist erklärte, dass sie bereits den psychiatrischen Dienst eingeschaltet hätte, aber es zu ihrem Bedauern trotzdem bisher keine Handhabe für eine Maßnahme gegen den Willen ihrer Betreuten geben würde.
Und das ist ein wichtiger Punkt, der oftmals in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet wird. Es gibt Betreute, die eine enorme Belastung für das Umfeld darstellen. Dabei kann es sich beispielsweise um extrem verdreckte Wohnungen handeln oder um völlig unsoziale Verhaltensweise wie nächtliches Sturmklingeln, Beleidigen oder Sachbeschädigungen. Obwohl niemand die Belastung so eines Verhaltens bestreiten wird, reicht es dennoch oftmals nicht aus, um deswegen jemanden gegen seinen Willen zwangsweise in eine Psychiatrie einweisen zu lassen. Es muss erst eine offensichtliche Eigengefährdung bestehen um entsprechende Maßnahmen durchzusetzen. Bei einer Fremdgefährdung ist dies zwar auch möglich im Rahmen des sogenannten PsychKG, aber auch hier reichen einfache Ruhestörungen oder Geruchsbelästigungen nicht aus.
Vor mehr als einem Jahr schränkte der Gesetzgeber die Möglichkeit der sogenannten Zwangsmedikation ein. Während es zuvor möglich war, jemanden gegen seinen Willen medikamentös zu behandeln, ist dies jetzt nur noch bei Selbstgefährdung der Fall. Wenn eine Situation eskaliert, können zwar unter bestimmten Bedingungen immer noch psychiatrische Einweisungen veranlasst werden, aber es gibt dann in der stationären Behandlung bei Weigerung des Patienten kaum noch Möglichkeiten, Medikamente einzusetzen. Während sich zuvor durch die medikamentöse Behandlung oftmals beim Patienten eine Kooperationsbereitschaft einstellte, ist es jetzt nicht selten der Fall, dass die Patienten auf Entlassung drängen, was zur Folge hat, dass es zuhause dann in gewohnter Weise weitergeht.
Ohne jetzt an dieser Stelle das Für und Wider der Zwangsmedikation zu thematisieren, sollte aber die genannte Problematik immer berücksichtigt werden, wenn psychisch kranke Menschen eine Belastung ihres Umfelds darstellen. Und deswegen ist der besagte Zeitungsartikel ein positiv zu wertender Schritt hin zur informativen Auseinandersetzung mit dem komplexen Problem des Zusammenlebens mit psychisch Kranken.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass so ein Bericht steht und fällt mit der Bereitschaft des Betreuers, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Es gibt in dieser Hinsicht konträre Standpunkte und es gibt durchaus auch Betreuer, die der Meinung sind, ihr Handeln grundsätzlich vor niemandem erklären zu müssen. Insofern ist neben der positiven Berichterstattung auch die Bereitschaft der Betreuerin positiv zu beurteilen, sich zu der Situation zu äußern.
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