Samstag, 8. Juni 2013, 13:05h
Überflüssige juristische Haarspaltereien – keine Organspende möglich bei bestimmten Patientenverfügungen?
Durch den Blog von Rentner Anton bin ich auf einen weiteren Blog mit dem Thema Pflege gestoßen und dort wiederum auf einen Beitrag, in welchem darauf hingewiesen wird, dass eine Patientenverfügung, die auf einen Behandlungsabbruch (wenn keine Hoffnung mehr auf Heilung besteht) abzielt, mit einer Organspende nicht vereinbar ist.
Ich bin darüber einigermaßen erstaunt, denn für mich spricht überhaupt nichts dagegen, dass jemand bei einer hoffnungslosen Situation, in der keine medizinische Heilung mehr möglich ist, trotzdem seine Organe spenden möchte. Aber anscheinend sehen das Juristen und auch Ärzte anders. Wer in seiner Patientenverfügung formuliert hat, dass er in einer Situation, in der Aussicht auf eine Heilung ausgeschlossen ist, keine Weiterführung der Behandlung wünscht, der verfügt damit den Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen, wie z.B. Beatmungsgerät, künstliche Ernährung e.t.c. Viele Organspenden sind jedoch nur möglich, wenn die Organe unmittelbar nach dem Versterben entnommen werden und die Transplantation zeitnah erfolgt. In der Praxis bedeutet dies, dass unter Umständen die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht sofort abgebrochen werden können, sondern erst, wenn die Entnahme vorbereitet wird.
Ich hätte jetzt nicht erwartet, dass jemand daraus ein Problem macht. Niemand, der in seiner Patientenverfügung ausdrücklich formuliert, dass unter bestimmten Umständen lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden sollen, formuliert damit auch, dass dies zwingend sofort geschehen soll. Wenn die Verfügung ebenfalls einen Passus des Wunsches einer Organspende enthält, dann ist meines Erachtens eindeutig, dass dies Vorrang vor einer sofortigen unmittelbaren Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen darstellt.
Ich bin aus vollster Überzeugung damit einverstanden, meine Organe zu spenden und trage schon seit meinem zwanzigsten Lebensjahr einen Organspenderausweis bei mir. Und ich habe mich entschieden, dass bei einer aussichtslosen schweren Erkrankung, bei der ein Weiterleben nur durch die Zuhilfenahme von künstlicher Beatmung und künstlicher Ernährung möglich ist und somit nur der Sterbeprozess verlängert wird, die Behandlung abgebrochen werden darf. Wie bereits erwähnt, bin ich äußerst erstaunt darüber, dass man hieraus einen Widerspruch ableiten kann.
Eigentlich hätte mir die Problematik schon vorher auffallen müssen, denn in meiner eigenen Patientenverfügung, deren Vorlage ich im Internet fand, ist ein Passus eingefügt, der der Thematik Rechnung trägt:
Organspende
Ich möchte meine Organe spenden und bin somit grundsätzlich zur Spende meiner Organe und Gewebe bereit. Es ist mir bewusst, dass Organe nur nach Feststellung des Hirntodes bei aufrechterhaltenem Kreislauf entnommen werden können. Deshalb gestatte ich ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch in Frage kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende) Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen zur Bestimmung des Hirntodes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer und zur anschließenden Entnahme der Organe.
Die Vorlage der Patientenverfügung kann unter http://www.ekd.de/download/patientenverfuegungsformular_bis_2003.pdf heruntergeladen werden. Wer sich daran stört, dass es ich bei der Verfügung um eine christliche Patientenverfügung handelt, der kann natürlich diesen Passus auch in irgendeine andere Vorlage oder in eine frei verfasste Verfügung einsetzten, wobei es natürlich auch gut möglich sein kann, dass andere Vorlagen mittlerweile diesen Passus auch enthalten.
Abschließend kann ich sagen, dass das ganze Thema Patientenverfügung für mich nicht die Sicherheit mit sich bringt, die eigentlich vom Gesetzgeber beabsichtigt wurde. Ich habe
hier hier ja schon einmal vor einigen Jahren über das Thema geschrieben und auch schon eine entsprechende Fortbildung zu der Thematik gemacht. Bei der Fortbildung wurde dann erwähnt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, einen Betreuer zur Durchsetzung der Patientenverfügung einzusetzen. Das ist jedoch genau das, was ich gerade nicht will, denn wozu formuliere ich auf mehreren Seiten meine Wünsche, wenn dann letztendlich doch ein Betreuer benötigt wird? Und genauso wenig möchte ich im Falle eines erkrankten Angehörigen oder Freundes, dass ein Betreuer für etwas eingesetzt wird, das eigentlich durch eine Patientenverfügung schon ausreichend geregelt wird.
Mir fällt immer wieder auf, wie wenig hilfreich es ist, wenn auf ärztlicher Seite nicht mehr auf den gesunden Menschenverstand gesetzt wird, sondern stattdessen ängstlich in dem Bedürfnis nach absoluter Absicherung juristische was-wäre-wenn-Probleme konstruiert werden. Diese werden dann anscheinend von juristischer Seite dankbar aufgenommen und letztendlich wird das Thema Sterben dann wieder aus dem Familien- und Freundeskreis ausgelagert hin zu Menschen, die den Betreffenden gar nicht kennen. Gerade weil sich viele Angehörige durch Betreuer ausgebootet fühlen und gerade weil leider nicht die geringste Bereitschaft zur offenen Auseinandersetzung mit Kritik besteht, sollte man die Patientenverfügung mit gesundem Menschenverstand lesen und nicht in akribischer Suche nach Formulierungen, die eine äußerst geringe Möglichkeit der anderweitigen Interpretation bieten.
Nein, sehr viel sicherer fühle ich mich durch die existierende praktische Umsetzung des Gesetzes über Patientenverfügungen nicht unbedingt.
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