Freitag, 26. April 2013, 11:58h
Eine ungewöhnliche Frage und ein ungewöhnlicher Anruf – Lichtblicke
Dass es doch auch immer wieder positive Beispiele in Hinsicht auf die Arbeitseinstellung von Betreuern gibt, habe ich gerade diese Woche erfahren.
Meine frühere Mitarbeiterin, die den größten Teil meiner Betreuungen übernommen hat, wird ihr Büro mit einer Kollegin teilen, die ebenfalls Berufsanfängerin ist. Ich habe immer noch mit der Abwicklung der Betreuungsübergaben zu tun, so dass ich ab und zu noch mein altes Büro aufsuche. Vorgestern stellte mir die Kollegin meiner früheren Mitarbeiterin dann eine für Betreuer sehr ungewöhnliche Frage. Es ging um ein Ehepaar, für dessen Betreuung sie demnächst vorgeschlagen werden soll. Wie so oft bei der Einrichtung einer Betreuung herrscht eine ziemliche Notlage und das Ehepaar befindet sich in einer äußerst misslichen Lage. Die Frage lautete:
„Darf ich auch vor der Einrichtung der Betreuung schon etwas für die beiden tun?“
Ich bejahte die Frage. Auch wenn Paragraphenreiter die Frage vielleicht verneinen mögen, so gibt es keinen Grund – das Einverständnis der Betroffenen vorausgesetzt – schon Dinge in Angriff zu nehmen, wie etwa nach einer Wohnung zu suchen, Unterlagen zu sichten, Recherchen zu machen, e.t.c. Allerdings bekommt man vor der Einrichtung der Betreuung noch nichts bezahlt. Und deswegen ist die Frage auch sehr ungewöhnlich. Es gilt unter vielen Betreuern die eiserne Regel: Mache niemals etwas vor Einrichtung der Betreuung. Genauso wie es die ebenfalls eiserne Regel gibt, niemals etwas nach Beendigung einer Betreuung für den Betreuten zu machen. Und da sind wir auch schon bei dem zweiten Lichtblick:
In der vergangenen Woche rief der Freund einer früheren Betreuten an, der sehr verzweifelt war, weil die ehemalige Betreute sich von ihm getrennt hatte und sich überhaupt nicht mehr meldete. Meine frühere Mitarbeiterin, die ja formal mit der schon beendeten Betreuung nichts mehr zu tun hat, rief den Freund und auch eine Beratungsstelle an, weil sie sich Sorgen machte. Zum einen wegen der verzweifelten Stimmung des Freundes, aber zum anderen auch, weil die frühere Betreute sehr labil und oftmals auch latent suizidal ist. Durch die Anrufe erfuhr sie dann allerdings, dass die Situation doch nicht so hoffnungslos war, wie es zuerst den Eindruck machte.
Vielleicht empfindet mancher diese beiden Reaktionen von zwei Betreuerinnen kaum erwähnenswert, denn in allen sozialen Einrichtungen ist es völlig selbstverständlich, dass die dortigen Mitarbeiter auch ehemaligen oder zukünftigen Klienten nicht völlig gleichgültig gegenüber stehen und einen Ratschlag oder eine kleine Hilfeleistung nicht von formaler Zuständigkeit abhängig machen, obwohl auch hier natürlich gilt, dass dies nicht mehr bezahlt wird. Betreuer blenden diesen Umstand allerdings gern aus und sind der Meinung, dass ihr Berufsstand der einzige ist, der bei formaler Nichtzuständigkeit nicht bezahlt wird. Entsprechend empört ist meist auch die Reaktion von vielen Betreuern, wenn es jemand wagt, doch mal vor oder nach der Betreuung um eine Auskunft zu bitten. Im kaufmännischen Wertesystem gilt das Interesse außerhalb der bezahlten Tätigkeit als größter Faux pas und dabei fällt dann auch schon mal der böse Vorwurf der „Unprofessionalität“.
Deswegen habe ich mir also doch die Mühe gemacht, über diese beiden Begebenheiten zu schreiben. Denn – es geht auch anders!
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