Donnerstag, 29. November 2012, 23:26h
Auf die alten Tage nach Thailand?
Um es gleich vorab zu sagen: ich bin ein absoluter Asien-Fan. Ich liebe buddhistische Länder, den Dschungel und den Mekong, die asiatische Küche und quirlige Basare. Ich muss mindestens jedes zweite Jahr nach Asien fliegen, damit ich nicht an Fernweh erkranke. Aber trotzdem würde ich nicht in ein asiatisches Pflegeheim ziehen, wenn der Zeitpunkt kommt, wo ich auf pflegerische Hilfe angewiesen sein werde. Warum? Ich habe hier meine Wurzeln, habe hier meinen Freundeskreis und meine Familie, hier wird meine Sprache gesprochen und ich bin an die hier herrschenden Umgangs- und Kommunikationsformen gewöhnt. Und ich vermute, dass ich mich darin auch nicht völlig von den meisten Menschen unterscheide.
Warum geben jetzt Familien ihre pflegebedürftigen oder dementen Angehörigen ausgerechnet in ein Pflegeheim, das sich auf der anderen Seite der Welt befindet? Weil es erheblich billiger ist. Man kann in Thailand eine Eins-zu-Eins-Pflege – also eine Betreuungsperson ganz für sich allein – zum gleichen Preis erhalten, wie hier in Deutschland für einen ganz normalen Heimplatz mit einem Personalschlüssel von vielleicht Acht zu Eins*. Es geht also nicht nur darum, einfach nur die billigere Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, sondern auch um Qualität. Aber geht diese Rechnung tatsächlich auf? Funktioniert es wirklich so reibungslos, einen alten Menschen in eine für ihn völlig fremde Umgebung zu geben? Mit einem Kontakt zur Familie, der sich allein aufs Skypen beschränkt?
Es gibt nicht nur in Thailand Heime, die sich auf deutsche Heimbewohner einstellen, sondern auch in Osteuropa. Auch hier gibt es deutschsprechendes Personal mit dem Bestreben, sich nicht nur auf einheimische Heimbewohner, sondern auch auf deutsche einzustellen. Ich las vor kurzem einen Leserbrief zu diesem Thema, der nachdenklich macht: „Jetzt gehen unsere alten Menschen nach Osteuropa, weil dort ein Heimplatz billiger ist und gleichzeitig kommen aus den osteuropäischen Ländern Arbeitskräfte zu uns, weil sie hier mehr verdienen“.
Ich mag mir gar nicht meine längst verstorbene Oma vorstellen, die zweimal durch den Krieg ihre Heimat verlor. Zum einen wäre es ihr in Thailand viel zu heiß und schwül (da geht es mir übrigens nicht anders) und zum anderen würde sie alles vermissen, an das sie sich hier gewöhnt hat. Und je älter sie war, desto schwieriger war die sprachliche Verständigung und man musste etwas schon sehr exakt aussprechen, damit sie es verstand. Genauso, wie wir Deutschen uns manchmal merkwürdig anhören, wenn wir eine asiatische Sprache sprechen, so ist es auch umgekehrt der Fall. Es gibt ältere Menschen, die es lieben, wenn Ärzte oder Pflegepersonal auf plattdeutsch mit ihnen sprechen, weil es mit vielen Heimaterinnerungen verbunden ist. Obwohl meine Oma gern auch mal chinesisch essen ging, wäre sie auf die Barrikaden gegangen, wenn sie nicht mindestens fünfmal wöchentlich ihre typisch pommersche Hausmannskost erhalten hätte. Und irgendwie kann ich mir meine Oma bei aller Phantasie nicht vor einem Laptop beim Skypen vorstellen, denn sie hat sich schon geweigert, ein Tastentelefon (früher gab es Wählscheiben) zu bedienen.
All diese vielen Einzelheiten, die das Gefühl von Heimat ausmachen, kann man darauf wirklich einfach so verzichten?
Es gibt zu diesen Thema auch noch eine Art Fortsetzung
* Da hat mich mein subjektiver Eindruck arg getäuscht, wie man hier lesen kann!
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