Freitag, 23. November 2012, 00:49h

Und das gibt’s auch – unerwartete Zustimmung

behrens

Ich habe mittlerweile akzeptiert, wie schwer es für andere Menschen nachvollziehbar ist, wenn es mir auch nach langer Zeit nicht gelingt, die unseriösen Machenschaften endlich zu vergessen, die ich während meiner ersten Jahre als angestellte Betreuerin bei einem Betreuungsverein miterlebte. Und irgendwie ist es ja auch nicht völlig falsch – man kann sich schließlich nicht immer mit der Vergangenheit beschäftigen. Auch die Empörung über den wenig rühmlichen Umgang einiger Betreuer mit ihren Betreuten oder Kollegen darf man nicht zum Hauptthema machen, wenn man sich konstruktiv mit der Weiterentwicklung seiner Arbeit auseinandersetzen will.

So habe ich es heute bei einem mit einer Beraterin zum Thema Arbeitsorganisation/ Arbeitsprobleme geführten Gespräch auch tunlichst vermieden, mich in Richtung Vergangenheit oder Kollegen zu bewegen. Allerdings erzählte ich dann im Zusammenhang der Hartz IV-Problematik von meiner Bekannten, deren Problem mit dem Jobcenter und dem Vermieter sich so dramatisch zuspitzte, dass sie von der Behörde einen Beratungsschein mit Kostenübernahme für eine anwaltliche Beratung erhielt. Die dann allerdings nicht zustande kam, weil besagter Anwalt trotz der Kostenübernahme einen Vorschuss von 100,00 € verlangte, wodurch ich dann wiederum in die Situation kam, nach einer Lösung des Problems zu suchen.

Und als ich mir gerade auf die Zunge beißen wollte, weil ich ja viel zu oft negativ über unseren Berufsstand berichte, kam eine Reaktion, die mich völlig verblüffte „ Kann man denn gegen so etwas nichts machen? Es muss doch eine Möglichkeit geben, dieses Verhalten irgendwo zu melden!“. Die Beraterin war offensichtlich sehr entsetzt über diesen Vorfall. Und daraufhin konnte ich es mir dann doch – trotz guter Vorsätze – nicht verkneifen, zu erwähnen, dass besagte Anwalt auch als Betreuer arbeitet und sich in seiner Homepage als „engagiert“ und „einfühlsam“ preist.

Es verschlug mir regelrecht die Sprache, dass es tatsächlich doch noch jemanden außer mir gab, den dieses Verhalten empört. Und genau darüber redeten wir dann – über den gravierenden Unterschied zwischen der Arbeitsauffassung von Sozialarbeitern, deren Fokus immer auf dem Einsatz für gesellschaftlich Benachteiligte liegen muss und der Arbeitseinstellung von Menschen, für die ein Arbeitsfeld wie das der Betreuung nichts anderes darstellt, als eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit.

Es gibt sie also doch – Menschen, die nicht nur gelangweilt mit den Schultern zucken, wenn Menschen, die ohnehin gesellschaftlich benachteiligt sind, auch noch um ihre Rechte gebracht werden.

Das Gespräch hallte noch lange in mir nach, denn es erinnerte mich daran, wie wichtig es ist, in bestimmten Ansichten eine selbstverständliche Zustimmung anderer zu erhalten. Es gibt vieles, wo man geteilter Meinung sein kann und es dabei auch ertragen muss, keine Zustimmung zu erhalten. Aber es gibt bestimmte Bereiche, in denen gibt es kein Wenn und Aber. Und dazu gehört die uneingeschränkte Ablehnung der Bereicherung an Menschen in hilfloser und abhängiger Lebenslage.

Um wie viel einfacher wäre meine Arbeit, wenn diese Zustimmung auch in meinen unmittelbaren Arbeitsalltag existieren würde. Und aus meiner Erinnerung heraus weiß ich, dass es um vieles leichter ist, inakzeptable Umstände abzuhaken, wenn ein Konsens darüber besteht, dass es sich eindeutig um inakzeptable Begebenheiten handelt. Vielleicht war das heutige Gespräch ein Schritt dahin…

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