Sonntag, 10. Oktober 2010, 21:42h

Aufgaben einer Betreuerin – Korrespondenz mit einem Bordellbesitzer

behrens

Zu den Aufgaben einer Betreuerin gehören die unterschiedlichsten Aufgaben. So zum Beispiel die Korrespondenz mit Menschen, die sich durch einen Betreuten geschädigt fühlen. Vor einiger Zeit habe ich aus diesem Grund mit dem Besitzer eines ominösen Clubs korrespondiert. Anlass hierfür waren die Schulden eines Betreuten. Kleinlaut erzählte mir mein Betreuter, dass er in einem sogenannten Club auf dem Kiez Schulden gemacht hätte. Passiert ist dies während einer manischen Phase, in der er besagten Club aufsuchte, dort Sekt bestellte, den er zwar trank aber nicht bezahlte und dadurch rund 150,00 € Schulden hinterließ. Allerdings schien er irgendwie zuvor seine Adresse bekannt gegeben zu haben, denn einige Wochen später standen vier Leute vor seiner Tür, die Einlass begehrten. Als er nicht öffnete, zogen sie wieder von dannen und hinterließen ihre Visitenkarte an der Tür.

Immerhin hatte ich ja dadurch einen Ansprechpartner. Übrigens nicht irgendeinen, sondern einen Burggraf von und zu, wie ich staunend im Internet recherchierte. Die Situation, dass ein psychisch kranker Betreuter in einer manischen Phase Schulden macht oder mit dem Gesetz in Konflikt kommt, gibt es immer wieder und entspricht auch dem mit manischen Phasen verbundenen Krankheitsbild. So hatte der gleiche Betreute auch schon vor einiger Zeit in einem sehr teuren Restaurant (direkt an der noblen Elbchaussee!) das Buffet abgeräumt ohne zu bezahlen. Auch bei dem sogenannten Club handelte es sich übrigens um eine Nobeladresse – wenn schon denn schon.

Was kann ich in so einer Situation für meinen Betreuten tun? Ich schreibe den Geschädigten an und schildere die Situation, das heißt, ich erwähne die Erkrankung und betone, dass die Tat des Betreuten nicht aus bewusster Absicht heraus entstand, sondern eine Folge der Erkrankung ist. Da fast alle meine Betreuten nur über ein Existenzminimum verfügen, muss ich dann auch darauf aufmerksam machen, dass eine Begleichung der Forderung leider nicht möglich ist. Wenn der Betreute damit einverstanden ist – was meist der Fall ist – lasse ich ihn manchmal auch noch selbst eine Entschuldigung formulieren.

Wie reagierte nun der Graf von und zu auf mein Schreiben? Erstaunlich verständnisvoll. Zwar bestritt er, dass er meinen Betreuten mit vier Personen aufgesucht hatte, aber er war – in Anbetracht der Erkrankung und der finanziellen Lage – sofort bereit, auf seine Forderung zu verzichten.

Ich habe aus dem Ganzen eine Lehre gezogen und erinnere meinen Betreuten jetzt regelmäßig an seinen Termin beim Arzt, bei dem er seine Spritze erhält. Wenn eine regelmäßige Medikamenteneinnahme erfolgt, lebt mein Betreuter weitgehend symptomfrei und ohne Konflikte mit seiner Umwelt – was auch seinem Wunsch (nicht nur meinem!) entspricht.

Der Aufwand des Anschreibens der Geschädigten ist relativ niedrig. Selbst wenn bereits eine polizeiliche Anzeige gemacht wurde, wird diese bei der relativ eindeutigen eingeschränkten Schuldfähigkeit oftmals zurückgezogen. Falls nicht, wird zumindest fast immer das Verfahren eingestellt. Mittlerweile brauche ich nur wenig Zeit für das Aufsetzen der entsprechenden Schreiben. Die Einschaltung eines Anwalts ist nicht erforderlich. Auch wenn man einen Anwalt beauftragt, muss dieser ja erstmal über den Tathergang und den gesundheitlichen Hintergrund informiert werden, so dass das Abwickeln solcher Angelegenheiten in Eigenregie letztendlich auch nicht mehr Arbeit macht, als bei Zuhilfenahme eines Anwalts. Der natürlich auch bezahlt werden muss, was bei mittellosen Betreuten ja ein Problem darstellt. Zwar gibt es Prozesskostenhilfe, aber nur in dem Fall, in dem überhaupt ein Prozess ansteht. Soweit möchte man es aber ja gar nicht kommen lassen.

Ich habe übrigens nicht mit einem Clubbesitzer, sondern mit einem Bordellbesitzer korrespondiert, denn es handelte sich natürlich gar nicht um einen Club. Aber der Graf war echt und stammte aus einer der ältesten deutschen Adelsfamilien...

Alles in allem bin ich froh, dass es für meinen Betreuten so glimpflich ausgegangen ist und er keine Schulden hat und ich keinen Rechtsstreit abwicklen muss.

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