Freitag, 31. Dezember 2010, 00:58h

Heim oder eigene Wohnung?

behrens

Diese Frage ist leider nicht immer eindeutig zu beantworten. Bei einer meiner Betreuten hat sich seit einiger Zeit der gesundheitliche Zustand so verschlechtert, dass es fraglich ist, ob sie in der eigenen Wohnung noch am besten aufgehoben ist. Das Problem ist, dass meine Betreute selbst nicht weiß, was sie will. Ich möchte dies hier einmal näher schildern:

Frau E. ist 66 Jahre alt und geistig behindert. Sie wohnt schon fast ihr ganzes Leben in ihrer Wohnung. Als die Mutter vor ungefähr 9 Jahren verstarb, wurde ich zur Betreuerin bestellt, weil Frau E. aufgrund ihrer Dyskalkulie überhaupt nicht in der Lage war mit Geld umzugehen und außerdem auch mit dem Beantragen von Sozialleistungen völlig überfordert war. Jahrelang konnte sich Frau E. selbst versorgen und es wurde von mir nur eine sogenannte PBW – Pädagogische Betreuung im eigenen Wohnraum veranlasst, da Frau E. überhaupt keine sozialen Kontakte hatte. Sie nahm diese Hilfe, die inzwischen auf eine „sogenannte“ Wohnassistenz umgestellt wurde sehr gut an.

Vor etwa einem Jahr hat sich mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen der gesundheitliche Zustand völlig verschlechtert. Frau E. stürzte und konnte zeitweilig nicht mehr aufstehen und auch die gründliche ärztliche Untersuchung im Krankenhaus konnte dafür keine Erklärung finden. Frau E. hat zunehmend die Orientierung verloren und kann sich nicht mehr allein versorgen, so dass ich einen Pflegedienst beauftragte. Trotzdem kommt es jetzt ab und zu dazu, dass sie verwirrt auf die Straße rennt. Aber was vielleicht noch schlimmer ist – Frau E. weint sehr oft und scheint sehr unglücklich zu sein.

Obwohl sie früher schon bei dem Wort „Heim“ sofort zu weinen anfing, habe ich gemeinsam mit ihr ein Pflegeheim besucht. Und wider Erwarten gefiel es ihr auch ganz gut, zumal wir uns ein schönes Einzelzimmer angesehen hatten. Trotzdem ist sie in ihrem Wunsch nicht eindeutig, was erheblich dadurch erschwert wird, dass sie sich kaum mehr klar äußern kann und meist nur zusammenhanglose und schwer verständliche Sätze formuliert. Mit anderen Worten – ich kann nur ahnen und spekulieren, was sie möchte und was für sie gut wäre.

Im Heim hätte Frau E. soziale Kontakte und wäre nicht so isoliert. Außerdem wäre immer Pflegepersonal anwesend. Es würden auch Veranstaltungen stattfinden, zu denen sie ohne lange Wegzeiten und Transportprobleme gelangen könnte.

Aber trotzdem habe ich Bedenken. Frau E. lebt ihr ganzes Leben lang in ein- und derselben Wohnung. Dies stellt einen festen Orientierungsrahmen für sie dar. Alles ist so, wie es schon immer war. Wenn sie plötzlich aus diesem vertrautem Umfeld herausgerissen wird, wäre nicht auszuschließen, dass sie den Rest ihrer Orientierung vollständig verliert. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass sie durch die sozialen Kontakte wieder auflebt. Dies ist zwar meiner Erfahrung nach eher die Ausnahme, aber ist eben auch nicht ausgeschlossen.

Ich war heute gemeinsam mit der sehr engagierten Betreuerin der Wohnassistenz bei Frau E. und habe versucht, mir ein Bild zu machen. Aber das war alles andere als einfach, da Frau E. nicht mehr klar antworten kann. Sie scheint auch aufgrund ihrer geistigen Behinderung überhaupt nicht zu wissen, was mit ihr passiert ist und warum sie plötzlich für die meisten Verrichtungen Hilfe benötigt. Sie möchte beispielsweise gern ihre Pantoffeln anziehen, aber weiß nicht mehr, wie sie dies machen kann. Zur die Toilette kann sie nur sehr, sehr langsam gehen.

Ich muss jetzt eine Entscheidung fällen, über deren Folgen ich nur spekulieren kann. Glücklicherweise war es möglich, für Frau E. ein bisschen Geld anzusparen, so dass es machbar ist, die Wohnungsmiete für zwei bis drei Wochen auch trotz des Heimkostenanteils weiter zu bezahlen. Auf diese Weise kann ich eine Art Probewohnen veranlassen und nur wenn Frau E. sich in dieser Zeit im Heim wohl fühlt, bleibt sie dort. Wenn sie im Heim noch unglücklicher als zuhause ist, wird sie wieder in ihre Wohnung zurückkehren.

Sollte der Zustand von Frau E. unverändert sein, dann stehe ich allerdings wieder vor dem gleichen Problem wie jetzt…

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Adriano Pierobon
Als Gerontologe und Geschäftsführer eines Pflegedienstes, der seit fast 25 Jahren in der häuslichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung engagiert ist, kann ich sagen, dass es kein Patentrezept gibt.Entscheidend ist der Wille der Betroffenen. Wenn die Betroffenen zu einer Willenserklärung nicht mehr fähig sind, muss der mutmassliche Wille ergründet werden, was auch fast immer möglich ist.
Wie richtig beschrieben, ist der häuslichen Versorgung, gegebenenfalls durch eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung fast immer der Vorzug zu geben, weil gerade bei Demenzerkrankungen ein Umzug in eine neue Umgebung zu Orientierungsverlusten führt.
Leider muss man aber auch sagen, dass durch manche unseriöse Anbieter die häusliche Betreuung in einigen Fällen diskrediert wurde und sich nicht als tragfähige Lösung erwiesen hat. Deshalb:bei der Wahl des Pflegedienstes genau hinschauen und das Angebot kritisch hinterfragen! Ein Qualitätsmerkmal ist beispielsweise in der Pflegekassenzulassung zu sehen, denn die bekommen nur Dienste, die bestimmte Mindeststandards erfüllen und mit qualifizierten, festangestellten Kräften arbeiten.

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Bei Frau E. habe ich schweren Herzens die Entscheidung für den Umzug in ein Heim gefällt, womit Frau E. auch – soweit dies eben ersichtlich ist – einverstanden war. Der Vorteil ist, dass sie dort in einer Gemeinschaft lebt, der Nachteil ist, dass es sich nicht mehr um die ihr vertraute Umgebung handelt. Die schon in der Wohnung begonnene rapide Verschlechterung ihres Zustands ist noch weiter fortgeschritten. Ich habe sie in der vergangenen Woche besucht, und sie reagiert fast überhaupt nicht mehr auf Ansprache.

Ich habe daraufhin mit der Bezugspflegerin gesprochen und meine Idee geäußert, ob man Frau E. vielleicht damit etwas Gutes tun könnte, wenn ich eine sogenannte „Wellnessbehandlung“ veranlasse. Ich hatte davon mal vor einigen Jahren auf einem Infozettel gelesen, der in einem Pflegeheim auslag. Die Pflegerin fand die Idee gut. Leider ist die betreffende Masseurin jetzt auf Firmen spezialisiert. Ich habe daraufhin aus dem Netz eine weitere Adresse für „Mobile Wellnessmassage“ herausgesucht und auch eine ganz normale Massagepraxis angerufen, leider erhalte ich keinen Rückruf. Schade, ich muss wohl noch weitersuchen, wobei ich allerdings befürchte, dass – aus welchen Gründen auch immer – Heimbewohner nicht die Zielgruppe für diese Angebote darstellen.

Ich habe Ihren Namen eben gegoogelt und gesehen, dass Sie in Karlsruhe sitzen, also leider sehr weit weg von uns Hamburgern. Vor einigen Monaten habe ich nämlich verzweifelt einen Pflegedienst gesucht, der wie Sie einen 24-Stundenservice anbietet. Es gab lediglich zwei Pflegedienste, die allerdings nicht in unserem Stadtteil arbeiten. Dies hat auch dazu beigetragen, dass ich schließlich gemeinsam mit der betreffenden Betreuten die Aufgabe der Wohnung beschlossen habe, denn die Betreute muss aufgrund eines schweren Dekubitus auch nachts umgelagert werden, ansonsten verschlimmert sich der Dekubitus wieder.

Es kommt mir manchmal vor, als würde ein großer Teil der Zeit damit verschwendet werden, die richtigen Einrichtungen/Dienste ausfindig zu machen. Wären Betreuer nicht alle kleine Ich-AGs, sondern bei freien Trägern oder einer Behörde angegliedert, dann hätten wir sicherlich schon längst entsprechende Adressnetzwerke.

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Die Rund um die Uhr Pflege erbringen wir bundesweit
Bei Frau E. ist in der Tat eine Wellnessbehandlung nicht adäqat. Auch wenn dn Ausführungen keine exakte Diagnose oder Angaben zum Hilfebedarf zu entnehmen sind - es handelt sich ja offenkundig um eine schwerkranke Frau, denn immerhin leidet sie ja an einem schweren Dekubitus. Diese Komplikation beruht übrigens immer auf einem Pflegefehler. In diesem Zusammenhang: ist das Dekubitusrisiko erkannt und erfasst worden? Welche Prophylaxemaßnahmen wurden geplant? Wurden diese Maßnahmen auch durchgeführt?
Schön, daß Sie mich gegoogelt haben! Ich habe vor über 20 Jahren einen Pflegedienst gegründet, der bundesweit ( natürlich auch in Hamburg ! ) häusliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung als Alternative zum Pflegeheim erbringt(http://www.humanis-pflege.de). Wir tun dies auf hohem fachlichen Niveau mit hiesigen, fest angestellten Kräften, die für diese Aufgabe entsprechend qualifiziert sind und auch im kommunikativen Umgang mit unseren Kunden keine sprachlichen Probleme haben.
Das Finden des geeigneten Dienstes ist in der Tat nicht ganz einfach. Nach meiner Beobachtung sind nämlich auch nicht wenig unseriöse Anbieter im Markt, deshalb immer anhand einer Checkliste prüfen, ob der Anbieter bestimmten Mindestkriterien genügt (http://www.rund-um-die-uhr-pflege.info)

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Da muss ich unbedingt etwas richtigstellen, denn die in meinem Kommentar geschilderte Suche nach einem Pflegedienst mit einem 24-Stunden-Service bezog sich nicht auf Frau E., sondern auf meine Betreute Frau F. die an so einem schweren Dekubitus litt, dass an eine Rückkehr in die eigene Wohnung nicht zu denken war. Ich hätte dies wahrscheinlich besser abgegrenzt formulieren sollen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Zu Frau F. ist zu sagen, dass ich zum damaligen Zeitpunkt zwar zwei Hamburger Pflegedienste mit einem 24-Stunden-Service gefunden hatte, aber deren Einzugsgebiet lag leider außerhalb der Wohnung von Frau F. Mittlerweile verheilt der Dekubitus langsam, der Heilungsprozess ist aber noch lange nicht abgeschlossen.

Frau E., um die es in dem ursprünglichen Beitrag ging, ist gestern verstorben. Die Idee mit der speziellen Massage (Wellness ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck) hatte ich weiterverfolgt und auch eine Anbieterin gefunden, die eine Behandlung durchgeführt hat und dies auch fortsetzen wollte. Es schien, als ob es tatsächlich eine Form der Behandlung war, die Frau E. noch wahrnahm und mit deren Hilfe man einen Kontakt zu ihr aufbauen konnte.

Zum Thema Dekubitus kann ich als jemand, der nicht aus dem Pflegebereich kommt, wenig Fachliches sagen. Allerdings bin ich erstaunt, wie rasant schnell sich ein Dekubitus entwickeln kann. Ich habe schon erlebt, dass Menschen, die erst vor sehr kurzem (tatsächlich nur ein paar Tage!) bettlägerig waren, plötzlich an einem Dekubitus litten. Selbst Rollstuhlfahrer, die ja nicht ständig in derselben Position lagern, können trotz Anti-Druckkissen ebenfalls sehr schnell einen Dekubitus entwickeln. Andererseits gibt es Menschen, die monatelang im Koma liegen und an keinem Dekubitus erkranken. Ich habe im Pflege-Wiki gelesen: Dekubital-Ulcera lassen sich durch entsprechende pflegerische Maßnahmen nicht immer verhindern.

Ganz konkrete Frage: Arbeiten Sie auch in Hamburg-Wilhelmsburg und Hamburg-Harburg? Und wird die nächtliche Umlagerung auch von den Krankenkassen bezahlt?

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Wir arbeiten bundesweit
Hallo,
leider habe ich Ihre Frage erst jetzt entdeckt...
Ja, wir arbeiten auch in Hamburg-Wilhelmsburg und Hamburg-Harburg, eben bundesweit. Wir rechnen mit allen Pflegekassen ab.Für nähere Informationen stehen wir Ihnen auch telefonisch unter 0721 27111 zur Verfügung.ÜberInternetseite http://www.humanis-pflege.de finden Sie auch Informationen zur Rund -um-die-Uhr-Pflege. Gruss Andriano Pierobon

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Weitere Themen
Gerne mache ich auch noch auf zwei weiter Seiten von mir Aufmerksam. http//:www.rund-um-die-uhr-pflege.info
und http://www.verhinderungspflege-zuhause.de/

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